Sonntag, 24. Juni 2012

Versuchungen


Hochgenüsse locken heiter,
treiben dich voran und weiter,
grüßen dich mit Wimpernschlägen,
wollen dich sehr sanft umhegen,
schmecken süß und stimmen fröhlich,
scheinen bald schon unentbehrlich.

Pflücke ihre Früchte sorgsam,
halte dich, wo’s geht, enthaltsam,
doch bedenk‘ des Lebens Spanne,
sie begräbt das Kind im Manne,
musst dich der Gefahr aussetzen
und dich mit Genuss benetzen.

Süßer noch als Schokolade,
dringt ein Blick an mein Gestade,
fließen Worte mir entgegen,
machen mich bestürzt, verlegen,
nasche gern an solchen Früchten,
möchte darauf nicht verzichten.

Tag um Tag vergehen Leben,
endet tragisch manch Bestreben,
will darum zuweilen naschen,
nicht den Lauf der Welt verpassen,
Träume in die Herzen schreiben, 
schwärmen und am Leben bleiben.

Sprachen

Wenn Poeten sich begegnen,
wenn die Worte leise regnen,
sollten sie sich doch verstehn.
Sprache ist ihr Glanz und Segen,
Sprache ist ihr spitzer Degen,
Sprache lässt ihr Ich geschehn.

Jeder findet seine Worte,
klopft an seine innre Pforte,
lässt, was sich versteckt, hinaus.
Wär die ganze Dichterhorde
nur von einer einzgen Sorte,
wär's dem Leser wohl ein Graus.

Oft kann ich mich wiederfinden,
wenn sich Worte eng verbinden,
sei es auch in fremdem Stil.
Muss mich selbst an Regeln binden,
mag den Strom nicht neu erfinden,
das ist mir doch zu subtil.

Montag, 18. Juni 2012

Kreativität


Ein Künstler lässt sich niemals irritieren,
er pflegt die Kunst, die sich ihm leicht erschließt.
Was hilft es da noch lang zu lamentieren,
wenn Tesafilm aus jeder Ecke sprießt?

Mein Sohn kreiert gern Hubschrauber aus Pappe,
er klebt sie, wie besessen vom Detail.
Er klebt die Flieger stündlich, in Etappen,
als läge in der Klebekunst sein Heil.

Sogar im Innern sind sie ausgestattet,
die Hubschrauber - mit Sitzen, wie in echt.
Piloten, gut verklebt, verharren wartend,
der Notruf dröhnt - Verspätung wär' jetzt schlecht!

Schon hebt er ab, sein Tesaglanz beeindruckt,
der Hubschrauber rast stolz und kühn empor.
Der Kunstpilot summt ratternd wie im Echtflug, 
ein Rettungseinsatz steht dem Team bevor.

Ich heb mein Glas, ertaste daran Kleber,
ein Stückchen Tesa hat sich festgesetzt.
Na ja, was soll's, mein Sohn war nie ein Streber,
er räumt nicht auf, wenn niemand schimpft und hetzt.

Alles oder Nichts

Manchmal spielt das Leben mit dir Spiele,
manchmal spielt es "Alles oder Nichts",
fragt dich, was dir besser wohl gefiele,
während du mit deinen Träumen brichst.

Manchmal scheint ein Stern für dich zu funkeln,
dann verbirgt ein Schleier seinen Glanz.
Mancher Reiz erschließt sich erst im Dunkeln,
denn als Blinder findest du dich ganz.

Meine Stimme stockt, wenn ich mich prüfe,
denn ich leb' im Alles und hab Nichts.
Wenn ich mir auch schönste Träume schüfe,
wär' ich dennoch nie ganz Kind des Lichts. 

Sonntag, 17. Juni 2012

Dichterische Rakete

Der Mensch verlässt sich heut‘ gern  auf die Technik,
sie stellt ihm dafür manchmal auch ein Bein.
Dafür verzichten wir auf hohe Ethik,
Geschäftssinn siegt, das Lieblingswort heißt: „Nein!“

Die Ferne tönt aus bunten Telefonen,
wo Nähe irritiert, verblüht das Sein.
Die Technik mag den Zyniker belohnen,
dem Dichter scheint sie träge und gemein.

Wenn technologisch kühl philosophiert wird,
gedeiht in uns der Dschungelkrieger neu.
Der nackte Mensch, der selig durch das Netz schwirrt,
bemerkt den Schaden spät in seiner Treu‘.   

Zwar mag die Technik manchem Künstler dienen -
das Publikum rückt näher als real.
doch ist im Virtuellen viel erschienen,
das farblos wirkt, behäbig und banal.

Ich dichte mir heut Nacht eine Rakete
und starte technokratisch flink ins All.
Wer in mir Technokratensamen säte,
den zerr‘ ich tief  ins dichterische Tal.

Bekenntnisse eines Erzählers


Müde schaue ich auf einen anstrengenden Tag.
Ein Held verlangte, das ich ein Stück mit ihm gehe.
Am Ende wird er seine Königin retten. Und sich.
Beim Schreiben fuhr mir oft eine namenlose Kälte
durch die Glieder. Im Märchen ist alles so einfach.
Aber das echte Leben? Das ist schwer. Da liegen 
nicht nur Steine, sondern Felsen im Weg. Und wenn
man einmal glaubt, es ginge vorwärts, schlägt das
Leben erbarmungslos zurück. Wie in so einem 
Albtraum - wenn du rennen willst, aber die Luft um
dich ist zäh wie Wasser. Du mühst und mühst dich,
hältst dem Druck aber nicht stand - diese Ohnmacht!
Deine Beine rennen nicht schnell genug. Dein Atem 
ist zu träge. Dein Wille zu schwach. Aber kämpfen
musst du trotzdem. Ja, kämpfen - musst du trotzdem!

Erschöpft blicke ich auf einen anstrengenden Tag.
Ein wenig habe ich mit meinem Helden gelitten.
Ich trieb ihn durch ein finsteres Labyrinth, das den 
Suchenden verwirrt und demütigt. Ich habe mit seinen
Ängsten gespielt, wie man das im Märchen so macht.
Trotzdem ist das Leben leicht für ihn: Er kann sich 
auf mich verlassen. Am Ende wird er siegen, egal 
wie schwer seine Prüfungen auch sein mögen. 
Er gibt auch nicht auf - weil ich es nicht zulasse!
Ich bin derjenige, der ihn antreibt und bändigt, 
derjenige, der ihn quält und rettet. Er müht und müht 
sich, fühlt sich ohnmächtig, doch am Ende wird er
gewinnen - weil ich das so will! Aber kämpfen muss
er trotzdem. Ja, kämpfen - muss er trotzdem! Was 
bin ich doch für ein gnädiger Erzähler und - Gott...

Hintergründig (Parallelgedicht)



Zwei Tulpen blühen frühlingsheiter
und wiegen sich im warmen Wind,
im Hintergund thront still ein Reiter,
erblickt das schöne Bild geschwind. 
   Was mag der Recke
   in den Blumen sehen?
   Vermag er ihre Blühlust
   zu verstehen?

Ein Apfelbaum wirft kühlen Schatten,
den größten Ast, den stützt ein Stab,
sein Baumharz lockt den Faltergatten,
zum Weibchen, das sich daran labt.
    Der Reiter sinnt und
    blickt auf das Geschehen.
    Er sieht den alten Baum
    wie sich vergehen.  

In Tulpen und in Baumgestalten
sucht sich das Gleichnis seinen Sinn.
Die Dichterstimme möge walten,
solange sie das Glück besingt.
    Der Reiter blickt zufrieden
    in die Landschaft.
    Begreift des Bildes innere
    Verwandtschaft.   

Ode an die Genüsse


Manche scheffeln Geld im Leben,
andere Genüsse.
Willst du nach dem Höchsten streben,
meide schale Küsse!
Im Detail liegt alle Wahrheit,
löse dich vom Groben!
Drum bewahre jede Feinheit,
heb' den Blick nach oben! 

Wenn die Klänge Muster weben,
schickt die Muse Grüße.
Willst du dieser Welt entschweben,
heb' zum Tanz die Füße! 
Singe, aber singe richtig,
schone meine Sinne!
Leidenschaft hält jung und tüchtig,
greife sie, gewinne!

Viel zu viele kleine Geister
drängen aus dem Dunkeln.
Ignorier's, such' deinen Meister,
sieh die Sterne funkeln!
Lese, wenn dich's Lesen lüstet,
doch bewahre Würde!
Trinke Rotwein, wenn dich's dürstet,
meid' des Fusels Bürde!

Der Genuss bestimmt dein Dasein,
nicht nur schnöder Reichtum.
Wer genießt, will wohl gespeist sein,
flieht vor fadem Siechtum.
Viel vermag die Welt zu geben,
schärfe deine Sinne.
Bleib nicht am Gemeinen kleben,
flieh' vor ihm, entrinne!  

 "Wenn die Sonne der Kultur tief steht,
werfen sogar Zwerge lange Schatten"
Karl Kraus

Unbegreifliches



Unbegreiflich, doch erfahrbar,
Unerkannt herbeigesehnt,
Unsichtbar, am Ende doch wahr,
Unfassbar und oft erwähnt,

Unerfüllbar seine Träume,
Unfassbar entzieht er sich,
Unterwandert alle Räume,
Unverblümt erblickt er mich,

Unbekannt sind seine Wege,
Unentwegt verfolgt er uns,
Unverdrossen seine Pflege,
Ungerecht scheint seine Gunst,

Ungerührt lässt er mich leiden,
Ungeniert vergisst er nicht,
Unverzagt will er mich meiden,
Unverstand verkennt sein Licht,

Untersuche seine Spuren!
Unterlasse Hohn und Spott!
Unerschrocken sollst du spuren 
Und du findest deinen Gott...

oder auch nicht.

Mein Ausflug nach Absurdistan

Jetzt sitz ich da, vor Margeriten,
das Geräusch von Computertatstaturen
im Ohr. Menschen in blau mögen mich.
Sie freuen sich, sind dankbar. In ihrem
Stress gebe ich ihnen Sicherheit.
Oft lachten wir miteinander, doch schon
bald trennen sich unsere Wege. Hummeln
tänzeln über die Margeriten. Sie interessieren
sich absolut nicht für uns. Wir sind ihnen
egal. Oder vielleicht doch nicht?

Die Sonne sticht auf die Wiese, während
Lüftungen surren und Lämpchen blinken.
Was für eine absurde Welt das ist.
Immer sitze ich zur rechten Zeit an der
falschen Stelle - und zur falschen Zeit an der
rechten Stelle. Mein Computer beanstandet
den letzten Satz, obwohl er stimmig ist.
Angeblich verbirgt sich da ein Grammatikfehler,
doch ich sehe keinen. Schließlich bin ich weder
Computer noch Deutschlehrer und somit fehlbar.

Absurde Fragen branden auf. Gebe ich eine
Antwort, lacht die eine Hälfte der blauen
Menschen, während die andere Hälfte rot anläuft.
Lustig ist das: Blaue Menschen, die sich rot
färben. Umgekehrt wie Säureindikatoren.
Sie sehen mich vor sich und ahnen nicht,
was ich gerade tue. Ja, vermutlich ahnen
sie noch nicht einmal, das ich Dichter bin. Die
würden sich vermutlich kaputt lachen. Aber was
die Blauen alles wissen - wer weiß das schon?

Vollständige Metamorphose



Ich schlüpf aus meiner Puppenhaut
als ein gereifter Schmetterling.
Die Welt scheint mir nicht mehr vertraut,
verwandelt scheint mir jedes Ding.

Wo man mich vormals übersah,
da lächeln mir nun Menschen zu.
Manch Auge strahlt, ganz warm, ganz nah,
bin mit dem Glück auf Du und Du.

Tret' ich ans Licht, begrüßt man mich,
mein Wort regt zu Gedanken an.
Das wirkt so fremd und unwirklich,
dass ich es noch kaum fassen kann.

Zuweilen fall ich tief hinab,
zurück in die Vergangenheit.
Das hält mir meinen Geist auf Trab
und kostet mich beim Fliegen Zeit.

Denn eins ist klar, mich hält kein Zwang,
am Ende schweb ich duch die Luft.
Noch wird's mir beim Gedanken bang,
doch flieg ich, wenn die Stimme ruft.

Zeit in der Flasche

Heute Morgen lag ich friedlich
dösend auf dem Kanapee.
Plötzlich lauschte ich - das gibt‘s nicht! –
einem Text, der roch nach Schnee.

Kam ein Lied mit Übersetzung,
schlich sich mir ins inn‘re Ohr.
War es Zufall, war es Fügung?
Lauschte darauf nie zuvor.

Dachte: Gott, wie lenkst du Lieder,
wie triffst du mich da ins Herz?
Kehrt da schon das Schicksal wieder
oder nährst du meinen Schmerz?

Schicktest gestern deinen Boten,
jenen der Unendlichkeit.
Wollte all mein Tun ausloten
und ich war dazu bereit.

„Dieses Jahr lenkt jene Menschen,
die mit Gott nicht uneins sind“,
sprach der Bote - das lässt wünschen,
dass ich meinen Weg noch find.

Kirschbäume und Scham


Solang die Kirschen weiß erblühen
und Menschen sich um Menschen mühen,
durchstreift mein Wunsch den Lauf der Zeit.
Die Sonne wird mir Wege glühen,
durch Schluchten, Wände, Nebelflühen,
ich harre der Gelegenheit.


Wenn  sich die Kirschen dann verfärben,
will ich um einen Zauber werben,
als lebten wir im Märchenland.
Schon liegt die alte Welt in Scherben
Wir werden alles Gute erben,
das schon aus unsrem Blick entschwand.


Der Pfad der Scham ist überwunden,
mein ich hat sich im Wir gefunden,
ich gebe meinen Wünschen Raum.
So fließen sie dahin, die Stunden,
ich will die neue Welt erkunden,
sie scheint mir reich - gleicht einem Traum.